Vishnu

Vishnu auf Garuda reitend

Vishnu (Sanskrit: Sanskrit विष्णु, Viṣṇu , Etymologie unklar;[ deutsch auch Wischnu) ist eine der wichtigsten Formen des Göttlichen im Hinduismus und kommt bereits in den Veden vor. Im Vishnuismus gilt er als die Manifestation des Höchsten. Seine Shakti, die weiblich gedachte Seite des Göttlichen, ist Lakshmi, die als seine Gattin gilt.

Tatsächlich ist Vishnu ursprünglich eine vedische Gottheit, auch wenn sie früher im Vergleich zu heute eher untergeordnet war. Im Rigveda erscheint Vishnu vor allem als ein Gott mit kosmischer Bedeutung. Ursprünglich war er wohl ein Gott der Sonne, des Lichtes und der Wärme, der die Zeit in Bewegung setzte, das Universum durchdrang und den Raum ausmaß. Er zählte zu den Adityas, den Söhnen der Göttin Aditi, die teilweise auch als seine Frau galt. Die Rigveda erwähnt mehrfach Vishnus wichtige Rolle beim Opfer, er war hauptsächlich ein Gott der Rituale und wird auch als Zentrum und Säule des Universums verehrt. Ebenso wachte er über die Opferpfeiler der Tiere. Vishnu war auch der Schöpfer der Maya, der Urkraft und Wundermacht der vedischen Götter, die die Welt hervorbringt. In drei Schritten (Trivikrama), als Symbol für Aufgang, Höchststand und Untergang der Sonne, maß er als Zwergengestalt, der zu einem Riesen heranwuchs, den gesamten Raum aus, nahm alle drei Welten (Triloka) in Besitz und machte ihn für Menschen und Götter bewohnbar. Diese Zwergengestalt (Vamana) wurde später zur fünften Avatara des Vishnu im heutigen Hinduismus. Mit der Entwicklung der vedischen Epoche machte der Gott Vishnu eine gewaltige Entwicklung durch. Neben dem Gott Rudra gehört er zu den großen Aufsteigern des Hinduismus. Im Laufe der Zeit übernahm er immer mehr den klassischen Aufgabenbereich Indrasals Kämpfer gegen die „Dämonen“ und Erhalter der Welt.

Trimurti
Vishnu ist Teil der Trimurti, einer im Hinduismus sehr bekannten Konzeption der „drei Gestalten“. Diese besteht aus drei Aspekten des Göttlichen, die mit den fundamentalen Prinzipien bzw. Kräften des Kosmos in Verbindung stehen:
  • Schöpfung: Brahma
  • Erhaltung: Vishnu
  • Zerstörung: Shiva

In der Dreiheit sind die Aufgaben verteilt: Vishnu ist die göttliche Form der Erhaltung, da er den Dharma im Sinne einer gerechten kosmologischen und menschlichen Ordnung erhält und zu diesem Zweck immer wieder als Tier oder Mensch inkarniert. Shiva dagegen zerstört und löst auf, um einen Neuanfang zu ermöglichen, während Brahma für die Schöpfung zuständig ist. Im Trimurti-Konzept gehen diese gegensätzlichen Werte eine einander ergänzende Verbindung ein. Außerhalb dieser Trimurti jedoch vereinen sowohl Vishnu als auch Shiva alle drei Aspekte in sich. Auch Vishnu kann zerstörend wirken: Die Wurfscheibe (chakram), eines seiner vier Symbole, setzt er als zerstörerische Waffe ein.

Auch Shiva enthält außerhalb der Dreiheit alle Aspekte. Für jene Gläubigen, die ihn als den Höchsten verehren, die Shivaiten, gilt er auch als Retter, als der Gütige, wie sein Name sagt. Eine göttliche Form, die die Aspekte von Vishnu und Shiva vereinigt, ist Harihara.

Vishnu wird üblicherweise mit vier Insignien dargestellt, die er in seinen vier Händen hält:

  • Wurfscheibe (Chakra), die im Verlauf einer Schlacht auf die Feinde geschleudert wird
  • Schneckenhorn (shankha), auf dem er bei verschiedenen Anlässen bläst
  • Lotos (padma), u. a. das Symbol der Weisheit und Reinheit, weil sie auch im schmutzigsten Teich strahlend rein ist
  • Keule (gada), mit der er Asuras bekämpft.

Sonstiges

  • Auf seinem Kopf trägt Vishnu eine topfartige Krone.
  • Sein Reittier (vahana) ist der halb mensch-, halb adlergestaltige Garuda.
  • In vielen Darstellungen ruht er als Narayana auf der kosmischen Schlange Ananta oder Shesha.

Vishnu trägt verschiedene – ursprünglich zum Teil regionale – Beinamen; die wichtigsten bzw. geläufigsten sind:

Im tamilischen Bereich trägt Vishnu auch die Namen Mayon („der Dunkle“), Tirumal („der erlauchte Große“), Perumal („der Große“) oder Ranganatha („Herr der Welt“). Der Name „Vishnu“ taucht in der ältesten Literatur (Sangam-Korpus) kein einziges Mal auf und scheint im Tamilischen erst mit dem zunehmenden Einfluss des brahmanisch geprägten Hinduismus in der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends n. Chr. als Bezeichnung für diese Form des Göttlichen in Gebrauch zu kommen.

Vishnu zeigt sich in einer Vielzahl von Manifestationen. Um den Dharma im Sinne einer gerechten kosmologischen und menschlichen Ordnung zu schützen, inkarniert er sich immer, wenn die Weltordnung (Dharma) ins Schwanken zu geraten droht, auf der Erde. Diese Inkarnationen werden Avataras genannt.

  1. Matsya – Fisch, zieht in der großen Flut die Arche
  2. Kurma – Schildkröte, trägt den Berg Mandara beim Quirlen des Milchozeans auf ihrem Panzer
  3. Varaha – Rieseneber, rettet die Erde in Gestalt der Göttin Bhudevi aus dem Urozean
  4. Narasimha – Mann mit Löwenkopf, tötet den Dämon Hiranyakashipu
  5. Vamana – Zwerg, wächst zum Riesen heran und misst mit drei Schritten die Welt aus
  6. Parashurama – „Rama mit der Axt“, Vishnu in Menschengestalt als Rächer eines Brahmanenmordes
  7. Rama – der Held des Epos Ramayana, nicht mit der 6. Inkarnation identisch
  8. Krishna – „der Schwarze“, Verkünder der Bhagavad Gita
  9. Buddha – manchmal auch „Balarama“, der Bruder Krishnas
  10. Kalki – zukünftige Inkarnation Vishnus als Reiter auf dem Pferd, der den Dharma wiederherstellt

Die bekanntesten und bedeutendsten Avataras sind Rama (Prinz von Ayodhya und Held des Epos Ramayana) sowie Krishna.

In den Texten über Vishnus zehnten Avatar Kalkin heißt es, er werde am Ende des Kali-Yuga erscheinen, um die Welt zu reinigen. Seit dem 20. Jahrhundert ist es daher nicht ungewöhnlich, dass Anhänger Vishnus auch Jesus Christus verehren, denn in der Bibel, insbesondere im Buch der Offenbarung (Kap. 19), ist von Christus als endzeitllichem Richter die Rede, der auf der Erde erscheint, um die Welt zu richten.